Es ist Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag oder Samstag (sonntags bin ich im Stall) zwischen 1 Uhr morgens und Mitternacht. Wählen Sie einen Tag und eine Zeit aus und ich könnte Ihnen eine Geschichte erzählen. Die Geschichte von der Gleichstellung der Geschlechter. Das weibliche Geschlecht als Trendsetter, das die Welt erobert. Klingt schön. Ist eigentlich auch schön. Ich habe noch grosses vor und hatte noch nie das Gefühl, beruflich oder bildungstechnisch einen Nachteil aus meinem Geschlecht zu ziehen, im Gegenteil: Die Welt ist sehr sensibilisiert auf das Thema Frauen. Ausser vielleicht es ist Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag oder Samstag (sonntags bin ich im Stall) zwischen 1 Uhr morgens und Mitternacht und man ist alleine in Zürich unterwegs.

Eigentlich hatte ich einen intelligenten Artikel über «die Frauenquote» geschrieben. Aus liberal-weiblicher Sicht, objektiv. Der Text war fixfertig: Doch einen Tag vor Abgabeschluss kam es ganz anders. Anlass dafür war ein Erlebnis, das sinnbildlich für viele solche steht. Ich bin am Montagmittag im Zug unterwegs an die Universität: Ein Seminar über die Gleichstellung der Geschlechter im Arbeitsmarkt. Ein Mann mittleren Alters, 45, setzt sich neben mich. Er spricht mich zunächst nicht an, sondern mustert mich aufmerksam von der Seite. Er trägt Anzug, Krawatte, sieht anständig aus und beginnt kurz darauf immer näher an mich heranzurücken. Ich mag Körperkontakt, man soll mich nicht als prüde einstufen. Aber nicht im Zug, nicht von einem Fremden und vor allem nicht, wenn ich deutlich zu verstehen gebe, dass das mein Sitz ist. Mein Körper. Und nach zehn Zentimetern ganz klar: Mein Bein. Mit der Hand darauf drückt er mich gegen das Fenster und meint lapidar: «Du bist hübsch. Wir würden gut zusammenpassen.» Ich winde mich aus der beengenden Situation, bin wütend und beschämt. Keiner der drei Männer im Nebenabteil liess sich zu einem Kommentar herab.

Dies soll keine Anschuldigung gegenüber dem männlichen Geschlecht sein. Der Grossteil der Männer, die ich kenne, halten dieses Verhalten für genauso daneben wie ich. Doch es gibt mir zu denken. Wir schreiben intelligente Zeilen über Frauenquoten in Führungspositionen. Wir machen uns Gedanken darüber, weshalb es im Parlament nicht mehr Frauen gibt. Warum Frauen noch immer tendenziell weniger verdienen als Männer.

Aber dabei vergessen wir oft: Das Problem beginnt schon viel früher. Wenn wir schon über so etwas Sinnloses wie Frauenquoten diskutieren, warum nicht da, wo «normale» Frauen auch davon profitieren? In Zugwaggons. Frauenquote 66.66% in einem 4er-Abteil. Diese Nah-Mann-Erfahrungen mache ich sehr oft. Ich habe alleine unterwegs schon viele Male einen Nachteil aus meinem Geschlecht gezogen. Und ich weiss genau: Dieses politisch-intellektuelle, korrekte Gerede über die Gleichstellung nützt nichts, solange in den Köpfen kein Umdenken stattfindet, solange es eben nicht nur Trend, sondern Realität ist. Zwei nackte Frauenbeine sind kein Freipass – diese Erkenntnis brächte uns Frauen mehr, als es irgendeine Frauenquote je könnte.