Die Gleichstellungsstelle in Winterthur wird geschlossen, der Gemeinderat hatte auf Bestehen beharrt, der Stadtrat hat sie nun eingestellt. Zwar betont dieser, dass das Thema Gleichstellung weiterhin «eine grosse Bedeutung für die Stadtverwaltung» habe, dieses jedoch in der Zwischenzeit bereits sehr gut aufgearbeitet sei. Die Anlaufstelle ist nicht ganz verschwunden. Wie im Landbote-Artikel vom 16. Juni 2015 gelesen werden kann, sieht Michael Künzle (CVP) in der Schliessung sogar eine Chance:

Zwei Personen haben bis anhin die 100 Prozent der Fachstelle abgedeckt. 20 Prozent gehen nun verloren, die übrigen 80 Prozent wechseln im Personalamt zum Bereich Entwicklung und Beratung. Stadtpräsident Michael Künzle (CVP), zu dessen Departement das Personalwesen gehört, ist überzeugt, dass man auf diese Weise sogar «mehr fürs Thema Gleichstellung rausholen» könne. (16.06.15, Der Landbote online)

Man darf frech fragen, ob es denn eine solche Stelle überhaupt noch braucht. Dafür erntet man empörte Rufe, doch keine sachliche Diskussion. Es gilt auch solche Stellen kritisch zu hinterfragen. Die neue Generation Frauen, die nach oben drängt, ist in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der Frauen als gleichberechtigt angesehen werden und sich – insofern sie sich nicht bis 30 selbst bemitleiden, weil sie eine Frau sind und sowieso benachteiligt werden würden, wenn sie denn etwas für die Karriere täten – profilieren können und zwar ohne eine Gleichstellungsstelle. Auch FDP-Gemeinderat Stefan Feer wird im Landboten so zitiert: «Das Gleichstellungsbüro braucht‘s nicht mehr. Eine Generation selbstbewusster Frauen wächst heran.» Natürlich sehen das SP und Juso anders, denn Gleichberechtigung sieht auf jeder Fahne gut aus. In der Tat haben wir solchen Stellen viel zu verdanken, auch ich will dies nicht leugnen und bin der Arbeit solcher Vorreiterinnen auch dankbar. Doch, wenn es eine Gleichberechtigungsstelle gibt, nach deren Auflösung alle nach den Rechten der Frauen schreien, so darf man sich auch fragen, fühlen sich da Männer nicht auch diskriminiert? Ist das das, was wir unter Gleichberechtigung verstehen wollen, Frauenförderung? Für mich nicht.

Elena Wild, Sekretärin der Juso Winterthur, lässt sich in der Medienmitteilung der Juso wie folgt zitieren: «Mehr als die Hälfte der Studierenden in der Schweiz sind weiblich, trotzdem beträgt der Anteil der Professorinnen gerade einmal 15%. Ebenfalls leisten Frauen mehr als doppelt so viel unbezahlte Hausarbeit wie die Männer. Dass Sexismus nach wie vor Bestandteil unserer Gesellschaft ist, müssen Frauen leider täglich erfahren. Für uns steht deshalb fest, dass wir von einer echten Gleichstellung der Geschlechter noch weit entfernt sind!» Das klingt ja dramatisch! Da frage ich mich: Der Anteil der Professorinnen beträgt vielleicht 15% – was ist denn der Anteil von Männern in den Primarschulen? Leider gibt es dazu keine aktuellen Quellen aus 2014, die national greifen, doch gemäss dem Verein «Männer an die Primarschule» (MaP) (würde bei dessen Schliessung auch jemand reklamieren?) betrug der männliche Prozentsatz im Schuljahr 10/11 auf der Primarstufe 18,9% und in der Vorstufe gerade einmal 3.9%! Mamma mia! Warum läuft hier niemand Sturm? Gleichstellung der Geschlechter und es wird nur über die Frauen debattiert? Sind die Primarlehrer weniger wert als die Professoren? Das ist ja auch wieder diskriminierend.

Echte Gleichberechtigung mit gleichem Lohnniveau, Anerkennung derselben Leistungen und gleichen Berufschancen für alle werden nicht nur durch eine Gleichberechtigungsstelle mit zwei Mitarbeitenden in Winterthur geschaffen. Auch gibt es durch deren Auflösung keine Talfahrt. Es ist nun die Basis gelegt, man weiss, worum es geht. Nun ist ein Umdenken in den Köpfen gefragt, auch bei der Juso: Man kann nicht Gleichberechtigung fordern und dann immer nur nach den Frauen schreien. Damit erntet man nur müde Blicke in der heutigen Zeit, weil auch viele Frauen es leid sind, immer als diskriminiert angesehen zu werden. Wie soll man sich denn hinaufarbeiten, wenn man immer diesen Stempel trägt? Und es ist trotz aller Prozentzahlen in den verschiedenen Berufsfeldern, in denen Frauen angeblich untervertreten sind, tatsächlich so, dass Männer und Frauen nun mal andere Prioritäten setzen, daran ändert auch eine Gleichberechtigungsstelle nichts.

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Elektra Langerweger
Präsidentin Jungfreisinnige Winterthur

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